Jahnel's Gasthof Turnerheim

Das Gasthaus „Pechanz’sche Restauration“ später „Jahnels’s Gasthof Turnerheim“ wurde bereits vor 1870 als Bauernhaus für Josef Gaube erbaut, denn in diesem Jahr erfolgte bereits der Saalanbau mit einem großen, schattigen Restaurantgarten.

Später kam das Gasthaus durch verwandtschaftliche Beziehungen in den Besitz der Familie Wenzel Pechanz. Im Jahr 1912 pachtete Johann Jahnel – mein Urgroßvater – den Gasthof.  

Er war seit 1898 selbstständiger Gastwirt. Nach dem „Schützenhaus in Hainspach“, pachtete er die „Elbschlossbrauerei Gaststätte“ in Leitmeritz.

Dann zog es ihn über Bodenbach weiter nach Niedergrund/Elbe. Dort pachtete er das „Gasthaus zur Eisenbahn“ mit dem Ziel, es später eimal zu kaufen.

Dieses Vorhaben erfüllte sich jedoch nicht, so dass er - mittlerweile 63jährig - 1912 nach Tichlowitz weiterzog und die Pechanz’sche Restauration als Pächter übernahm.

Er führte den Gasthof bis zu seinem Tod im Jahr 1925 mit seiner Frau Mathilde Jahnel geb. Weiß.

Sein Sohn Johann Georg Jahnel hatte das Tischlerhandwerk erlernt und arbeitete in mehreren Betrieben zwischen Aussig und Tetschen.

Er ging nun fortan als „Freizeitgastwirt“ seiner Mutter und seiner Schwester Aurelia Jahnel (später Peh) zur Hand. Der Wunsch seiner Mutter, für eine spätere Übernahme bzw. Kauf des Gasthofes eine Frau zu heiraten, erfüllt sich im Jahr 1930 mit Anna Effenberger.

Der große Traum ging am 3.9.1934 - einen Tag nach seinem 29. Geburtstag - in Erfüllung. Es handelte sich bei der Besitzübergabe des Gasthofes um ein Versteigerungsverfahren, wonach vermutlich der Gasthof schon nicht mehr im Besitz der Familie Pechanz war, sondern wahrscheinlich im Besitz von Gläubigern zB einer Brauerei, oder eines Gerichtes.

Josef Pechanz - vermutlich der letzte Vorbesitzer – legte Beschwerde über das Verfahren der Erteilung des Zuschlages ein. Seine Begründungen dazu wurden jedoch abgelehnt, so dass der Gasthof als Bauparzelle 59 HsNr. 24 mit einem Schupfen (heute Schuppen oder Gerätehaus) Bauparzelle 131 nun rechtmäßig zum Preis von 115.200 Kc ersteigert war.

Johann Jahnel (Ortsbetreuer von 1967 – 1982) und mein Großonkel begann sofort mit umfangreichen Umbaumaßnahmen.

Der Gasthof beherbergte viele Vereine u.a. den 1922 gegründeten Deutschen Turnverein. Im Tanzsaal fanden anschl. rauschende Feste sowie Theater- und Turnvorführungen statt.

Im Biergarten gab es die sogenannten Gartenkonzerte. Die „Hauskapelle“ war das sogenannte Salonorchester mit Relli Peh (geb. Jahnel) am Klavier und ihr Mann Rudolf Peh als Geiger.

Was 1938 zunächst als Befreiung vom Tschechien Joch verstanden wurde, entpuppte sich alsbald als die menschenverachtende Tyrannei des Nationsozialismusses. So mussten 1938 viele Tschechische Mitbewohner des Dorfes ihre Heimstatt verlassen.

Die Wirtsleute Jahnel richteten daraufhin in ihrem Gasthof eine Übergangsstätte (Volksküche) für diese ersten Vertreibungsopfer ein.

 Im übrigen hatte Hans Jahnel als Gastwirt in dieser Zeit oftmals Probleme mit der SA. Bekundete er doch oft seine Abneigung gegenüber der NSDAP. Ja, es gab auch in Tichlowitz Denunzianten.

 Der Krieg begann und Hans Jahnel musste seinen Kriegsdienst in der Ferne leisten. Von 20.4.1940 bis zum 8.5.1945 – also einen Tag vor Kriegsende - führte Anna Jahnel mit einigen Hilfkräften den Gasthof alleine weiter.

Auch sie setzte sich hier immer wieder Gefahren aus indem sie u.a. Fremdarbeitern heimlich mit Essen versorgte.

Familienangehörige aus Breslau, die zwischenzeitlich Unterschlupf im Gasthof (versteckt auf dem Dachboden) gefunden hatten, wurden nach der Denunzierung anderer Deutscher entdeckt und des Landes verwiesen.

Hans Jahnel kehrte zurück und hoffte, dass sich die Situation für seine Frau und sich selber wieder zum Guten wenden würde. Hatte man sich doch stets mit der tschechischen Bevölkerung verstanden, war kein Parteimitglied und ansonsten durch die Abnlehnung des NS Regimes aufgefallen.

Es kam leider anders:

Die neuen Machthaber forderten bereits Ende Juni 1945 die zwangsweise Übergabe des Gasthofes durch eine Abtretungserklärung an den Tschechischen Staat nebst Übergabe sämtlicher Sparbücher etc. Begleitet wurde diese Übergabe mit der Androhung von körperlicher Gewalt.

 Den Gasthof übernahm Pan Josef Novy aus Bandeis bei Prag. Ironie des Schicksals war, dass der ortsansässige Kunstmaler Franz Hübsch vor seiner eigenen Vertreibung, noch das Schild über der Gaststätte übermalen und mit dem neuen Namen „U Ceskeho Lva“ auf Deutsch: „Zum Tschechischen Löwen“ beschriften musste. Anna Jahnel musste weiterhin im Gasthof kochen, da die Frau von Josef Novy kurz nach der Übernahme des Gasthofes starb.  Hans Jahnel war fortan zwangsweise in der Holzindustrie tätig.

Die endgültige Vertreibung erfolgte am 7.7.1946.

 In Viehwagons wurde man nach Mecklenburg geschafft. Dort hielt man sich aber nicht lange auf  kehrte kehrte nach Dresden zurück. Die Lebensverhältnisse waren auch dort sehr schlecht; war man doch nur Umgesiedelte aus dem Bruderstaat.

Im Jahr 1950 gelang die Flucht nach Westdeutschland und der Neuanfang.

Die Eröffnung einer eigenen Gaststätte erfolgte am 18.4.1953 in Frankfurt/Main. Dafür musste ein Kredit aufgenommen werden, den man später durch die Zahlung eines Lastenausgleiches wieder teilweise ablösen konnte. Der Lastenausgleich betrug nur ca. 6 % des materiellen Verlustes.

Den Gasthof in Frankfurt/Main betrieb Hans Jahnel bis Mitte 1960iger Jahre. Dort hielt er auch die ersten Tichlowitzer Treffen ab.

1966 besuchte er – 20 Jahre nach der Vertreibung – wieder seinen Gasthof und war erschreckt darüber, wie heruntergekommen er schon war.

Er war in den Nachkriegsjahren mit allem sehr sparsam, hoffte er doch, seinen Gasthof wieder zurück zu bekommen. Erst Mitte der 1970iger fand er sich so nach und nach mit dem Verlust der Heimat und somit des Gasthauses ab, ohne jedoch einen kleinen Strohhalm noch festzuhalten. Er überschrieb den Gasthof notariell beglaubigt seinem Großneffen.

Ein halbes Jahr nach seinem Tod öffnete sich der Eiserne Vorhang und die beiden Deutschen Staaten vereinigten sich wieder. kurze Zeit später.

Gerne hätte ich ihm diesen Moment noch gegönnt.


Der Gasthof wurde in den 1980iger Jahren und auch noch später immer wieder notdürftig renoviert. Besonders im Jahr 1987.

Nach der Wiedervereinigung trafen sich im Zuge der Tichlowitzer Kirchsprengel Treffen immer wieder die ehemaligen Ortsbewohner und ihre Nachkommen in Jahnels Gasthof. Ein besonderes inniges Erlebnis für jeden Teilnehmer.

Innenansichten 



Tichlowitzer im Gastgarten und im Gasthaus


Ab dem Jahr 2017 stand der Gasthof zum Verkauf an. Leider ohne Erfolg.

Heute, im Jahr 2021 gibt es endlich ein Licht am Ende des Tunnels. Die heutige Ortsgemeinde Techlovice hat den Gasthof gekauft und strebt eine grundlegende Renovierung an.

 Wir sind sehr gespannt darauf.